2017 habe ich im Rahmen einer Ausstellung sämtliche Ziegel der Kunsthalle Below mit GOLDfarbe überzogen und mich dabei mit dem Thema Heimat/Zuhause auseinandergesetzt.
Gleichzeitig wurden die Besucher vor Ort (und auch Freunde) dazu eingeladen, sich ebenfalls persönlich mit diesem Thema zu beschäftigen und mir ihre Ergebnisse zuzuschicken.
Die individuellen Antworten -Fotos und Texte- wurden 2018 wieder in der Kunsthalle präsentiert.

Lieber Thomas,

in Le Tretien einem Ort im Wallis, der mir als Flachländer, der so viel Affinitäten zu Wasser und Meer hat, ein wenig zur Heimat geworden ist. Ich habe dorthin ein wenig Holz mitgenommen. Das ist natürlich Blödsinn; bei dem Wald dort überall.
Es ist ein Stück rote Zeder aus Canada, einem Land, in dem ich eine Zeit verbracht habe, auch ein Stückchen Heimat. Es ist ein Holzrest, der beim Schnitzen eines Paddels übrig geblieben ist. Ich paddele gerne mit meinen selbstgemachten Holzpaddeln. Sie liegen gut in der Hand.
Aus dem Holz ist unter anderem ein Eichhörnchen geworden, das seine Heimat im Wallis gefunden hat.

Hi Thommie, glücklich bin ich, wo ich angeln darf.
Ein Gefühl von heimatlichem Angekommensein stellt sich ein am Fischgewässer. Egal ob Bach, Teich, Fluß, See oder Ozean, egal wo auf der Welt. Alle Fische dieser Welt lieben Gold.
Daher führe ich immer ein Sortiment goldener Spinnköder mit mir, am liebsten selbst lackierte. Somit führt dein Gold letzten Endes in meinen Bauch! Goldene Mahlzeit, mein Freund!

Altarcito en la entrada a mi hogar. Mi primer hogar en cinco años.
Y mi primer altar.
Corazón mexicano, sal, ranita papirofléxica y piedra venenosa.
Y encima, mis pajaritos.

work in progress

Mit Lust und Energie basteln wir an unserem Gartenhäuschen – mit jedem Schritt strahlt es anders, immer wieder entdecken wir Unerwartetes, und im Prozess wird es heimelig, ein neues Zuhause…

Das Thema Heimatsuche beschäftigt mich schon länger. Ist wahrscheinlich ein globales Thema.
Berlin war und ist für mich Heimat in dem Sinne als den Ort von dem ich komme. Schon meine Urgroßmutter lebte in der gleichen Straße und besuchte mit dem Kindermädchen und ihren 4 Geschwistern den Volkspark. Familiengeschichten haben hier ihr Zuhause, Selbstverständlich-keiten leiten sich daraus ab. Auch wenn man mal in anderen Orten oder Ländern lebte, dort war unser Zuhause.
Seit 10 Jahren veränderte sich dieses Viertel, es wurde lauter, enger, übergriffiger, der neue Reichtum forderte Konformität und Aufmerksamkeit. In Berlin war mein Zuhause, aber ich fühlte mich dort nicht mehr wohl. Das Leben ist kurz, warum nicht nach einem anderen Ort suchen indem das Herz aufgeht. Tastend, erst mit einem kleinen Wohnung, und der Basis in Berlin, zog ich zeitweise aufs Land. In den Süden Bayerns.
Ein Ort an dem mir das Herz aufging war der Starnberger See. Der Blick in die Alpen, das klare Wasser, das bayrische als kraftvolles Lebensgefühl.
In den letzten 5 Jahren bin ich 7 mal umgezogen. Immer an diesem See. Immer auf der Suche nach einem neuen Blick. Teilweise ohne Basislager. Leben an einem Ort auf Probe.
Südlicher war es spürbar distanzierter, und ich stellte fest, dass es einfacher ist für das Leben, wenn der Ort den Zuzug von Menschen oder Tourismus gewohnt ist, also Andersartigkeit schon als nicht bedrohlich erlebt wurde.
Jetzt lebe ich in einer Wippensituation: Basis Ambach am See und kleine Flucht Berlin, denn so ganz ohne Berlin geht es dann doch nicht. Noch immer spüre ich in mich und frage mich: wo ist meine Heimat? Das Gefühl Heimat zu finden drängt sich in der Fremde auf. Wer bin ich? Was macht mich aus? Was mache ich hier?
Eine der wenigen Andenken aus dem Leben in Berlin ist diese goldene Kugel. Sie hing am Weihnachtsbaum und weil sie so schön war, ganzjährig am Kronleuchter über dem Küchentisch.
Erinnerungen an Familienfeste, an Zeiten als die Kinder noch klein waren, an die goldene Zeit meiner Kindheit, kommen auf. Auch Trauer. Dieses Leben ist vorbei.
Ich nahm diese Kugel mit auf meinen Spaziergängen. Legte sie hinein in diese neue Umgebung. Inszenierte dieses kleine Wunderkugel in meine jetzige Umgebung. Drückte sie Leuten in die Hand.
Lies sie auf dem See schwimmen. Und siehe da, ich entdeckte neue Schönheit. Ein neues Gefühl mein altes Leben in diesem neuen Leben integrieren zu können. Ein Gefühl von Frieden.
Meine Idee zu deinem Projekt Heimat:
ich würde Steine aus dem See mit der goldenen Farbe bemalen und diese fotografieren. Am Kreuz, am Steg, am Biergarten, am Almweg.

Also Thomas, hier ist unsere kleine Geschichte:

Wir standen in einem trockenen Flussbett, irgendwo am anderen Ende der Welt, mein bester Freund und ich. Er fand dort einen besonderen Stein, einen perfekten, einen ganz runden. Er hat ihn mir geschenkt. Wenn man ihn gegen das Licht hält, ist es wie etwas wunderbares, etwas ganz besonderes, perfekt. Ich hab es als Zeichen einer guten Freundschaft verstanden und fühlte mich gleich viel wohler in seinem fernen fremden Land. Als ich zurück in der Heimat war, fand ich auch einen solchen Stein und schickte ihn zu meinem Freund. Ich weiß, dass der Stein für ihn das gleiche bedeutet wie für mich und das ist so schön.
Ende

Heimat ist ein gutes Gefühl.

Für mich ist der Begriff HEIMAT viele Jahre – vielleicht sogar Jahrzehnte – nicht absolut zu fixieren.
Es gibt Orte, wo ich mich besonders wohlfühlte: Verbundenheit und ganz viel Emotion waren an diesen Orten für mich spürbar. Lange habe ich auch in Unna gebraucht, um mich zu Hause zu fühlen. Dabei hat mir ein Traum geholfen:
Ich bin in meinem Garten und bestaune einen jungen Apfelbaum und entdecke sein Wurzelwerk. Es ist tief und fest im Erdreich verankert – so wie ich jetzt in Unna.
Komme ich nach Hause, begrüßt mich vor dem Haus der „Kinderbaum“ aus einem alten Eichenbalken gearbeitet.

Ein guter Platz, um sich morgens für den Tag zu stärken, und um abends den Tag ausklingen zu lassen…

Heimat ist für mich dort, wo Hafen ist. Das hat sicher damit zu tun, dass ich aus Hamburg Altona stamme, wo man die Geräusche herunterfallender Container bis zum Bahnhof hört. Aber Hafen ist auch immer die Nähe zur fernen Welt. Heimat eben nicht als Heim. „Die Welt ist groß und Rettung lauert überall“, so formuliert es Ilija Trojanow im Titel eines Romans. Wohl fühle ich mich, wo ich Aussicht habe auf solch eine Rettung.

Kindheit als Heimat

Zeitlose Geborgenheit im Baumwipfel

Rote Kirsche, blauer Himmel, helle Sonne, sattes Grün. Den Rücken an die raue Rinde geschmiegt fallen die reifen Früchte in den geöffneten Mund bis die abendliche Kühle dem Paradies ein Ende setzt.

Vollkommene Schönheit im Rankgitter

Betörender Duft, absolute Zartheit der Kelche, ein überreiches Verschenken der strahlenden Blüten, das schützendes Dach aus Rankgitter, Geäst und Blättern. Darunter sitzen und Schönheit einatmen bis einem schwindelig wird.

ohne Worte

ohne Worte

Heimat – zu Hause – da, wo jemand wartet – oder eher -wo nichts wartet, wo alles ist, wie es ist – nichts müssen müssen – Raum für Zeit ohne Not – keine Not- zeit – Zeiträume – Zeit für Momente – für viel Sinne und Sinnliches – zum Sehen ohne Erkennen müssen – ohne Handeln wollen – Freude ohne Zweck – im Detail verschwinden – Großes darin sehen – dann Erkennen wollen und Handeln dürfen – Neues schaffen – das ist Heimatgold geformt in Zeit.

Forrest
Born in a place surrounded by a forrest
Stories emerged from Grimm brothers and mixed into the fantasies of a young girl.
Miniature figures and golden brick.
Gold found in youth Gold found in middle age.
The treasure was always there but unseen. Life was always abundant but not
valued by those who counted.
Now pay heed to the Forrest it holds the promise of love. The greatest gift.
This Gold is no fantasy but value of the matured heart.

Der kleine Trompeter: Dies ist eins der wöchentlich zu singenden Lieder der Schulzeit. Diesen kleinen Trompeter trifft dann eine feindliche Kugel, also er wird erschossen und am nächsten Morgen wird er zu Grabe getragen… ich habe immer geweint und meine Stimme hat bei diesem Lied immer versagt und ist in den Tränen ertrunken… als ich dann diesen Keramik- Kopf von einem französischen Künstler kaufte, war es genau das Gesicht und die Locken des kleinen Trompeters. Nun Jahre später, habe ich ihm mit der Goldfarbe von dir wieder Licht, Leben und Sonnenstrahlen ins Gesicht gemalt…

Den großen Stein habe ich vor ein paar Jahren aus französischen Sandstein gehauen. Er wurde zu meinem stillen Wächter. Ein Wächter, der mich ohne Worte versteht, ohne Sprache mir antwortet… Mit dem Gold an den Augenlidern und Stirn habe ich ihm ein inneres Leben gegeben, ein Geheimnis, ein Zeichen seiner Gruppe und ihn gewürdigt.

Als ich „Dein Heimatgold“ bekommen habe, fand ich schon das Glas mit dem Aufkleber und Deiner Unterschrift toll. Ich hab immer wieder überlegt, wo ich es denn einsetzen kann, damit es auch gut zur Geltung kommt.
Dann habe ich angefangen, die getrockneten Schoten zu bemalen und wollte die Farbfelder zuerst mit schwarz umranden (Du hast Recht, ich habe bei Dir abgeguckt), habe mich aber dann sehr schnell für Dein Gold entschieden. Auch die Innenseite wurde komplett vergoldet.

Die blaue Flußlandschaft in „Papua-Neuginea“ hat einen „Goldstrand“ bekommen und ein bisschen Goldstaub glitzert auch so noch an einigen Stellen im Urwald.
Unser Froschkönig aus dem Garten war schon sehr renovierungsbedürftig, weil der Lack im wahrsten Sinne des Wortes „ab“ war. Jetzt erstrahlt er im neuen Goldglanz und Helena hat ihm seinen neuen Platz im Vorgarten neben der alten Wanne ausgesucht.
Immer wenn ich das Glas mit Deinem Gold in die Hand genommen und damit gemalt habe, habe ich an Dich gedacht, das ist für mich auch Heimat. Auch wenn die Gegenstände an sich vielleicht nicht unbedingt für Heimat stehen.

Heimat ist da, wo mein Schreibtisch ist – und meine Bücher. Da sitz´ ich und denke nach und dann such´ ich was aus Büchern und frickel rum – an Texten und Ideen und Projekten und Workshops – und dann bleib` ich an einem Buch hängen und dann lese ich darin und dann denke ich wieder drüber nach.

Auf meinem Fensterbrett liegen Dinge, die ich gefunden habe – aus ganz vielen Ländern, besonders Steine und Muscheln und deshalb gehört der Stein aus Below da irgendwie hin. Auch etwas, was ich unbedingt mitnehmen musste…

Der Goldene_Regentonnensurfer – mystisch verschwommen taucht er nur in der Regenzeit aus der Tonne auf und verschlingt Farbtöpfe aus Gold in einem Stück.

Danke, dass Sie mir dir Möglichkeit gegeben haben, an Ihrem Projekt teilzunehmen. Der Goldstein verzaubert jetzt mein Arbeitszimmer. Anbei auch ein Foto von meinem Lieblingsplatz, meinem Balkon.

Mit herzlichen Grüßen,

„Home is where my heart wants to spend time!“

Der Begriff „Heimat “ ist und wird wieder allzu oft politisch mißbraucht, ich spreche lieber von „Zuhause“, also von Geborgenheit, Erlebnissen, Gefühlen und die Erinnerung daran. Diese Gefühle und Erinnerungen habe ich in ein vergoldetes Kästchen eingeschlossen.
Sollte ich künftig an Orte kommen, die einmal mein Zuhause waren, werde ich das Kästchen mitnehmen und dort an, für mich wichtigen Orten, fotografieren. Wie hier an meinem derzeitigen Zuhause.

Fotos:
Der Schreibtisch, an dem bereits mein Vater saß. ( Erbstück von Dodo Wiltvang )
An Garry´s Grab

Bei einem Bekannten las ich neulich spät nachts in einem Buch. Eine Sammlung von Begriffen aus verschiedenen Sprachen, die man nicht übersetzen kann. Aus dem Deutschen hatte das Wort „Heimat“ Eingang gefunden. An die dortige Definition erinnere ich mich nicht, aber ich erinnere mich, dass es mir sehr verloren vorkam unter all den anderen Begriffen aus der ganzen Welt. Da gab es „Uitwaaien“, was auf Niederländisch so viel heißt, wie „eine Pause machen, um den Kopf freizubekommen“ oder das Verb „Cafuné“ – gebräuchlich im brasilianischen portugiesisch, um zu beschreiben, wie man „mit den Fingern zärtlich durch das Haar eines geliebten Menschen streicht“. Dazwischen die Heimat. Verloren, klein, irgendwie trotzig und hässlich, dachte ich bei mir. Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl. Ein melancholischer Blick zurück – nichts das sich entwickelt, vielmehr etwas, das konserviert. Oder konservieren soll. Heimat hat man verloren, sie wurde einem genommen (man ist zum Beispiel Heimatvertrieben) – oder sie ist bedroht. Ich komm nicht umhin, bei Heimat will mir partout nichts Schönes einfallen. Daher die Scherben. Sie passen gut zu den Bildern in meinem Kopf. Zu Deutschland. In den 30ern, zu Deutschland in den 90ern, zu Rostock-Lichtenhagen und zur AFD. Natürlich ist das, was Menschen mit Wörtern verbinden individuell unterschiedlich. Und ohne Zweifel kann sich mit der Zeit nicht nur individuell, sondern auch gesellschaftlich ihre Bedeutung verändern. Bis auf weiteres aber, möchte ich aber eben lieber dort sein, wo keine Heimat ist. Zuhause zum Beispiel. (März 2018)

Heimat sicher